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Klaus Brückner

Das Böse oder wie Gewalt entsteht


Wie Gewalt entsteht

Klaus Brückner entführt Hinterhalt-Gäste in 20-er Jahre

Gelting / Gedimmtes Licht. Eine kratzige, verstaubte Schallplatte leiert Musik von Friedrich Taubner, Hitlers Lieblingstenor. Schatten sitzen an Tischen, auf der Bühne Kerzen, ein Stuhl, Tisch, Lampe, ein Redner. Klaus Brückner liest aus Hitlers "Mein Kampf" und Thomas Manns "Besuch beim Propheten". Im Hinterhalt in Gelting geht er der Frage nach, wo Gewalt ihren Ursprung hat. Die Lesung führt die Zuhörer ins München der 20-er Jahre, in eine Zeit, die ideologisch vom Darwinismus und Antisemitismus und künstlerisch vom Expressionismus und Pathos einer teils kriegsverherrlichenden Ästhetik geprägt ist.

Thomas Mann malt im Text ein Stimmungsbild vom Besuch einer politischen Lesung Stefan Georges im Schwabing der 20-er Jahre. George war Künstlerfürst seiner Zeit und laut Mann ein "unheimliches Gemisch aus Brutalität und Schwäche". In der von Mann wiedergegebenen Lesung endet der Dichter mit den Sätzen: "Ich überlasse euch zur Plünderung die Welt". Brückner will herausstellen, dass Hitler "keine isolierte Persönlichkeit" war, sondern "in der Kunst seiner Zeit beheimatet", "Ideologien zusammengeklaubt" und für "Machtinteressen instrumentalisiert" hat. Hitler habe an seine verkündeten Ideologien anfangs wohl selbst nicht geglaubt, sich ihrer jedoch bedient, um sich Popularität zu verschaffen. "Hitler war der Popstar unserer Großeltern." In welchem Maße Hitler seine eigenen Machtinstrumente durchschaut, wird in dem von Brückner rezitierten Kapitel "Propaganda nur für die Masse" deutlich. Auch eine eher unbekannte und merkwürdige Quelle rezitiert Brückner: einen 1938 von Mann verfaßten Essay mit dem Titel "Bruder Hitler". Der Schriftsteller betrachtet den deutschen Diktator hier als ein "ästhetisches Phänomen", gesteht ihm "Künstlertum" zu und tituliert ihn schließlich so: "Ein Bruder... ein etwas unangenehmer und beschämender Bruder; er geht einem auf die Nerven, es ist eine reichlich peinliche Verwandschaft."

SchwertBrückner trägt ruhig vor, wird selten emotional, läßt die Texte für sich selbst sprechen. Doch was ist die Intention seiner Lesung? Er zieht eine Parallele zur Gegenwart: "Eine Schwarz-Weiss-Färbung politischer oder geschichtlicher Ereignisse, wie sie George Bush betreibt, darf nicht akzeptiert werden. Ich möchte Antennen ausrichten. Deshalb der Gang in die 20-er Jahre." Die seien entscheidend gewesen für das vorige Jahrhundert. Hier seien Weichen gestellt worden. "Momentan geschehen furchtbar unsaubere Sachen. Dieses Gefühl gleicht den 20-er Jahren."
Alexander Bock, Süddeutsche Zeitung

 

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